Werte Freunde audiophiler Musik, der grosse Konzertflügel ist unbestritten der König unter den Instrumenten. Ich könnte jetzt auf seine unvergleichliche Dynamik, den zartesten Klang im leisen Moll bis hin zum mächtigen Anschlag im Fortissimo eingehen oder von seiner beeindruckenden Grösse und Eleganz schwärmen. Doch wirklich faszinierend ist die Individualität, denn jedes Instrument ist ein Unikat, von Meisterhand geschaffen. Es hat ein Eigenleben auf das sich der Vituose einlässt und somit das Werk des Komponisten zum Leben erweckt. In unserer Reihe Grand Piano Masters gehen wir auf den Charakter, auf die Seele des grossen Konzertflügels ein, und erleben während der Aufführung den Dialog zwischen Instrument, Virtuose und Raum.
Wir beginnen mit einem atmosphärischen Leckerbissen: Ein Mitternachtskonzert, eine Soiree in der Schlosskirche Bad Homburg. Franz Vorraber spielt die Impromptus und die Wanderer-Fantasie von Franz Schubert. Sie erleben eine nächtliche Begehung des instrumentalen Klangraums mit einzigartigen Kompositionen, die die Spektren des "grossen Flügels" voll ausschöpfen und im nächtlichen Ambiente der Schlosskirche zu einem audiophilen Klangerlebniss der besonderen Art machen. Der Pianist Franz Vorraber, Romantiker und Schubertkenner, zeigt uns mit sensibler Identifikation die Höhen und die tiefen Täler des ewigen Wanderers "Franz", der seiner Zeit so weit enteilt war. In den Geheimnissen der Nacht ringen zwei Meister, der Komponist und der Interpret, um das Licht des Tages. (Josef-Stefan Kindler, Verleger)
Im Jahr 1827, ein Jahr vor seinem Tod, schreibt Franz Schubert im Alter von 30 Jahren die Impromptus. Er hat jeweils vier Impromptus zu einem Zyklus zusammengefasst, vielleicht um sie sowohl einzeln, als auch als Zyklus spielen zu können. Ein ungewöhnliches Stück ist das erste Impromptu in c-Moll. Beginnend mit einem lange ausgehaltenen Ton entwickelt Schubert eine einstimmige Melodie, die in einer Terzenbewegung auf und ab kreist, und die er dann in einen vierstimmigen Choral einbettet. Der Marschrhythmus in dieser dunklen Tonart c-Moll, wohl ein Trauermarsch, verleiht dem ganzen eine gespannte Atmosphäre, etwas Unausweichliches. Blockartig und übergangslos erklingen einstimmige, bläserchoralartige Passagen nebeneinander. Die Wechsel der Tonarten sind jäh und unvermittelt. Wie aus der Erinnerung erscheint später das Motiv in As-Dur, der Tonart des Traumes und der Sehnsucht. Im ganzen Verlauf werden die Kontraste gesteigert und variiert bis zur überraschenden Wendung nach C-Dur, welches völlig instabil, immer wieder ins Moll abgleitet. Selten findet sich in einer Komposition so ein dichtes Nebeneinander von C-Dur und c-Moll auf so engem Raum. Das erste Impromptu endet in Dur, ohne diese unwirkliche Stimmung zu verlassen. Im Gegensatz zum Marschrhythmus des ersten Impromptus liegt dem zweiten Impromptu in Es-Dur ein Dreiertakt zugrunde, dessen zweiter Schlag immer mit einer Betonung versehen ist; wie ein Glockenschlag, der immer dem schweren ersten Schlag antwortet. Dieser Rhythmus in Verbindung mit den perlenden Läufen der rechten Hand, die mit einer Terz, die alle vier Impromptus motivisch verbindet, beginnen, verleiht dem Es-Dur Impromptu seine charakteristische Note. Im Mittelteil steigert Schubert die Glockenschläge dynamisch mit doppelten Sforzati, die in der Coda das Stück endgültig in abstürzenden es-Moll Läufen enden lassen. Das dritte Impromptu verwendet in der Melodiestimme, die diesmal durch die fallende Terz charakterisiert wird, den Schubert'schen "Wandererrhythmus", kombiniert mit einer durchgehenden Triolenbewegung. Dieses unerbittliche Bewegungsmuster hält Schubert auch in diesem langsamen Tempo bis zum Ende durch. Wieder führen melodische Wendungen in den Nebenstimmen vor allem durch fallende Terzen, etwa anfangs von ges nach es, zu schwerwiegenden harmonischen Veränderungen, die dem Werk eine "traumwandlerische Unsicherheit" einflössen. Abgeschlossen wird der Zyklus vom As-Dur Impromptu, welches harmonisch wie eine unbeantwortete Frage beginnt. Die as-Moll Akkordbrechung führt in die Dominante nach Es-Dur als stehender Akkord, der ohne Auflösung in eine Pause mündet. Es folgt ein Motiv mit einer abwärtsgerichteten Terzbewegung, die kaum als Antwort auf diese Frage verstanden werden kann. Rhythmisch schreibt Schubert in Analogie zum zweiten Impromptu wieder betonte, lang liegende Notenwerte auf den zweiten Schlag. Mit diesen Mitteln, die konsequent einen musikalischen Charakter entwickeln, entstehen bei Schubert Meisterwerke in Vollendung. Im Mittelteil in cis-Moll setzt er den liegenbleibenden zweiten Schlag in der Melodielinie ein und verbindet diese in sich kreisende Melodiebewegung mit pochenden Achtelakkorden der linken Hand. Nach der Wiederholung des Anfangs mit den fragenden Gesten endet der Zyklus mit zwei lauten Akkorden, die uns verdeutlichen: "jetzt ist Schluss". Die sogenannte "Wanderer Fantasie" ist fast fünf Jahre früher, zwischen 1822 und 1823, entstanden. "Die Sonne dünkt mich hier so kalt.." lautet der Text der Liedzeile des Schubert Liedes "Der Wanderer", dem das Thema des zweiten Satzes zugrunde liegt, das wiederum den zentralen Variationensatz des Werkes bildet. Es ist ein kühnes, orchestral angelegtes und bis zu dieser Zeit einzigartiges Werk, dessen vier Sätze aus einem einzigen rhythmischen Motiv aufgebaut sind, und das ohne Pause zu einem Ganzen zusammengesetzt ist. Obwohl der Titel "Wanderer Fantasie" nicht von Schubert stammt, liegt durch den thematischen Kern zum Lied "Der Wanderer" der Bezug nahe. Dieses rhythmisch prägnante Muster verwendet Schubert häufig auch in anderen Werken. Das Wandern ohne Unterlass, ohne Halt, das unaufhörliche Fliessen reisst alles mit sich. Es ist das Wandern unseres Lebens, der unerbittliche Fluss der Zeit - die Zeit, die als Symbol in den Künsten am besten musikalisch darstellbar ist. Vielleicht wird das Wandern durch Träume wie im 2. Satz unterbrochen, aber dieser unbändigen Kraft können wir uns nicht entziehen. Am Ende des dritten Satzes schreibt Schubert eine ungeheure Klangsteigerung, die wohl die damaligen Instrumente überfordert, und die in einen in Oktaven geführten fugierten vierten Satz mündet, der alle Register der Klangentfaltung nutzt. Zerlegungen über die ganze Klaviatur, Akkordtremoli, und zahlreiche Oktavengänge führen in einen unbändigen C-Dur Klangrausch. (Franz Vorraber im November 2007)
Das Klavier und die große Kirchenorgel faszinieren den im österreichischen Graz geborenen Pianisten Franz Vorraber seit frühester Kindheit. Siebenjährig spielte er bereits die Orgel in der Kirche - im Stehen, da seine Kinderbeine kaum das Pedal erreichten. Mit 13 Jahren wurde er in die Klavierklasse für außerordentliche Talente der Musikhochschule in Graz aufgenommen. Daneben lernte er noch Violine. Die Wiener Schule in der Tradition von Bruno Seidlhofer und die alte deutsche Schule, die er bei Joachim Volkmann kennenlernte, prägten sein Studium. Für seine pianistischen Leistungen erhielt er unter anderem Preise des österreichischen Bundesministeriums für Kunst, den Joachim Erhard Preis und den Preis der Stadt Graz. Seine Studien in Graz und Frankfurt beendete er mit höchster einstimmiger Auszeichnung. Sein bisher größtes Projekt war die erstmalige zyklische Aufführung des gesamten Klavierwerkes von Robert Schumann an insgesamt zwölf Abenden in verschiedenen Städten in Europa und Japan. Mehrfach würdigten ihn Presse und Publikum als einen der bedeutendsten Schumann Interpreten unserer Zeit. Für die Gesamtaufnahme des Klavierwerkes von Robert Schumann auf 13 CD's erhielt er 2006 den Pasticcio Preis des Österreichischen Rundfunks. Trotz aller Preise sind für Franz Vorraber im Konzert andere Kriterien entscheidend. Seine enorme Aussagekraft als Musiker und seine Fähigkeit, den geistigen Kern der Musik freizulegen, faszinieren das Publikum. Er entläßt seine Zuhörer innerlich bewegt. Nach seinem Debüt mit 19 Jahren in Tokio erhielt er Einladungen in fast alle europäischen Länder, sowie in die USA und nach Japan, wo er auch master classes gibt.
Inhalt & MP3 Hörproben (128 kBit/s):
Franz Schubert (1797 -1828):
I. Konzertbeginn
II. Impromptu Opus 90 No.1 in C-Moll ~ D 899/1
III. Impromptu Opus 90 No.2 in Es-Dur ~ D 899/2
IV. Impromptu Opus 90 No.3 in Ges-Dur ~ D 899/3
V. Impromptu Opus 90 No.4 in As-Dur ~ D 899/4
VI. Wanderer Fantasie - Fantasia Opus 15 in C-Dur ~ D 760
Franz Vorraber spielt den Konzertflügel D 280 (No.191784) von C. Bechstein
Die CD-Reihe Castle Concert Series:
Durch Heinrich von Kleists Drama "Prinz Friedrich von Homburg" ist die ehemalige Residenz der Landgrafen von Hessen-Homburg vor den Toren Frankfurts weltbekannt geworden. Das Schloss mit seinen wundervollen Gärten gehört wohl zu den schönsten Barockanlagen Deutschlands. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die preussischen Könige und deutschen Kaiser, wohl auch wegen der erholsamen Lustbarkeiten in dem durch seine Heilquellen schon damals berühmten Bad "Homburg vor der Höhe", zwischen 1866 und 1918 nur zu gerne des Sommers hier verweilten. Selbst der Prince of Wales nebst höchstem englischen und russischen Adel suchte hier Kurzweil, Erholung und Heilung.
Die Kultur war an den Höfen Europas schon immer sehr facettenreich. Der gebildete Adel wusste um die Notwendigkeit der Förderung und Pflege der schönen Künste und schuf somit die Basis der Atmosphäre Europa. Vieles, was in bildender Kunst, Literatur und Musik keinen vordergründigen, marktwirtschaftlichen Wert besass, fand Beachtung und Bewunderung und bildete die Grundlage unserer heutigen kulturellen Existenz und Identität. So ist es dem Mäzen Isaak von Sinclair zu verdanken, dass das Dichtergenie Friedrich Hölderlin künstlerisch entscheidende Jahre seines tragischen Lebens in Homburg verbrachte. Dem Landgrafen Friedrich V. widmete Hölderlin sein wohl bekanntestes Gedicht "Patmos".
Eine Bronzeplatte mit dessen Anfangsversen bedeckt heute den Zugang zur Familiengruft der Homburger Landgrafen, die sich unter dem Chorraum der Schlosskirche befindet.
Erhaltenswertes und hörenswert Neues, musikalische Kostbarkeiten aus Tradition und Avantgarde - beides undenkbar ohne den Nährboden Europa - dokumentieren wir in der Serie "Castle Concerts" an authentischer Stelle. Kaiser Wilhelm II. schuf in Bad Homburg durch die Stiftung einer Stadtkirche, wohl ohne es zu ahnen einen der schönsten und intimsten Konzertsäle Europas. Denn die bis dahin genutzte Schlosskirche mit ihrer prächtigen Bürgy-Orgel geriet in Vergessenheit und überstand somit die Wirren und den Modernisierungswahn des letzten Jahrhunderts - bis sich das "Kuratorium Bad Homburger Schlosskirche" dank modernem Mäzenatentum dieses architektonischen Kleinods annehmen konnte: Originalgetreu mit behutsamer Liebe zum Detail wurden Kirche und Orgel zu einem wundervollen Konzertsaal restauriert.
Heute erstrahlt die Schlosskirche in neuem Glanz und wird durch die mit viel Engagement und Enthusiasmus des Ehepaares Ulrike und Volker Northoff veranstaltete Konzertreihe "Musik im Schloss" mit musikalischen Höhepunkten fürstlich geschmückt.
Zur CD-Reihe Authentic Classical Concerts:
Kultur in ihrer authentischen Form zu publizieren, heißt für uns: herausragende Aufführungen und Konzerte für die Nachwelt festzuhalten und zu vermitteln. Denn Künstler, Publikum, Werk und Raum treten in einen intimen Dialog, der in Form und Ausdruck - in seiner Atmosphäre - einmalig und unwiederbringlich ist. Diese Symbiose, die Spannung der Aufführung dem Hörer in all ihren Facetten möglichst intensiv erlebbar zu machen, sehen wir als Ziel, als Philosophie unseres Hauses. Das Ergebnis sind einzigartige Interpretationen von musikalischen und literarischen Werken, schlichtweg - audiophile Momentaufnahmen von bleibendem Wert.
In unserer Edition Authentic Classical Concerts gehen wir auf die Suche nach diesem Dialog - hin zu den großen Gewerken und seltenen Perlen menschlicher Baukunst. Denn jedes Bauwerk hat seine Eigenheiten, in den historischen, akustischen und atmosphärischen Gegebenheiten. Doch entscheidend bleibt wohl der Mensch, der Künstler und dessen subjektives, mentales Empfinden. Die Prägung, die Herkunft, das Umfeld, die musikalische Heranführung und Bildung - Faktoren, die in uns Vorlieben entwickeln; beispielsweise die Liebe zu großen Räumen, zu antiker oder moderner Architektur.
Nicht ohne Grund schwärmen die Menschen der anderen Kontinente und Kulturkreise von der Faszination, dem Erlebnis Europa... und ist für den Europäer das Land der unbegrenzten Möglichkeiten oder der Zauber des Ostens nicht ebenso eine Reise wert? Ist das Empfinden eines italienischen Operntenors oder einer bulgarischen Violinistin nicht entscheidend für das Interpretieren, den Umgang mit der Komposition, dem Werk? ... Und letztlich schließt sich der Kreis in der Art & Weise des Publikums, im Umfeld des Aufführungsortes.
Diese Subjektivitäten spiegeln sich in der Empfindung einer Atmosphäre, eines Raumes - bilden den eigenen, persönlichen mentalen Raum im Raum - wirken auf die Interpretation eines Werkes. Klassische Musik lebt! Lebt durch die Interpretation, die Spannung während des Auftrittes, durch die Kombination von Werk, Raum, Künstler und Publikum.
Wir stellen uns der Herausforderung und zeichnen die Konzerte direkt in Stereo-Digital auf - werden somit selbst zu einem Teil der Aufführung und halten diesen Eindruck, die Spannung, die wir während des Konzertes empfinden, in Bild und Ton fest - um Ihnen einen möglichst authentischen Genuss zu vermitteln. Blühende Kultur in lebendigen Denkmalen, dem Publikum vor Ort und nicht zuletzt auch Ihnen zur Freude, sind somit jene Werte, welche wir in dieser Reihe dokumentieren.
(Andreas Otto Grimminger und Josef-Stefan Kindler, K und K Verlagsanstalt)